"Ich war kurz davor": Wie Raphinha fast mit Italien zur EM gefahren wäre

Heute zählt Raphinha zu den besten Offensivspielern der Welt und ist auch aus der brasilianischen Nationalmannschaft nicht mehr wegzudenken. Vor fünf Jahren sah das ganz anders aus - und der Top-Scorer des FC Barcelona wäre beinahe bei der Squadra Azzurra gelandet.
Brasilianer in Diensten des FC Barcelona: Raphinha. IMAGO/Guillermo Martinez
Nach dem 3:3 gegen Inter Mailand bestimmte wieder einmal der Name Lamine Yamal die Gazetten. Klar, das 17 Jahre alte Wunderkind hatte dem Spiel schließlich mit einem traumhaften Solo samt Spann-Schuss nach dem Fehlstart des FC Barcelona eine neue Wendung gegeben und war auch im Anschluss des Dreh- und Angelpunkt im Angriffsspiel der Katalanen. Die er mit einem Lattenschuss kurz vor Schluss beinahe noch zum Sieg geführt hatte.
Fünf Tore und vier Vorlagen sind es damit nun schon, die das Eigengewächs zum diesjährigen Königsklassen-Lauf der Blaugrana beigetragen hat. Womit Yamal aber sowohl im internen als auch im externen Klassement weit hinter einem Teamkollegen zurückliegt: Raphinha.
Mit satten zwölf Buden und zehn Assists führt der Brasilianer die Scorer-Wertung der Champions League an, jüngst gegen Inter hatte auch er mit zwei Vorlagen großen Anteil am Spektakel. Dass der Flügelspieler zu den Besten seines Fachs gehört, ist unbestritten. Doch noch vor wenigen Jahren war der heute 28-Jährige weit entfernt vom Kräftemessen mit den Besten - und so auch von Berufungen für die brasilianische Nationalmannschaft, aus der er heute nicht mehr wegzudenken ist.
Im Alter seines kongenialen Partners Yamal, der sich im vergangenen Sommer schon am Tag nach seinem 17. Geburtstag Europameister nennen durfte, hatte man Raphinha bei der Selecao noch lange nicht auf dem Schirm. Schon gar nicht für die A-Nationalmannschaft, aber auch im Nachwuchsbereich spielte der Offensivmann, dessen Stern erst mit Anfang 20 allmählich aufging, in den Planungen bei den Südamerikanern keine Rolle. Erst im Oktober 2021, wenige Wochen vor seinem 25. Geburtstag, lief Raphinha erstmals im Nationaldress auf.
Wobei man in Brasilien wohl von Glück reden kann, den mittlerweile 33-maligen Nationalspieler (elf Tore) überhaupt in den eigenen Farben sehen zu dürfen.
"Ich war kurz davor, die Berufung anzunehmen"Denn knapp eineinhalb Jahre vor seiner Premiere für Brasilien hätte sich Raphinha beinahe anders entschieden - und dürfte sich wie Yamal womöglich heute auch Europameister nennen. Sein Vater hat Wurzeln in Italien, was auch dem dortigen Verband aufgefallen war. Vor der Endrunde 2020, bei der die Squadra Azzurra später triumphieren sollte, fragte man den damals noch für Stade Rennes spielenden und international weitgehend unbekannten Offensivmann an - und hatte beinahe Erfolg, wie Raphinha im Interview mit der italienischen Journalistin Isabela Pagliari bestätigte.
"Ich war kurz davor, die Berufung anzunehmen", so Raphinha. "Ich sollte eigentlich zur EM 2020 fahren, die sie dann gewonnen haben. Im Grunde war ich startklar." Zahlreiche Anrufe hatten ihn zu dieser Zeit erreicht; Spieler wie Jorginho, ebenfalls gebürtiger Brasilianer und heute italienischer Nationalspieler, riefen ihn "ständig an" - im Versuch, den Flügelspieler vom Verbandswechsel zu überzeugen.
Zunächst hätte er dafür aber die italienische Staatsbürgerschaft annehmen müssen, woran die Mission auf der Zielgeraden scheiterte - ganz zur Freude des Gegenwarts-Raphinhas. "Zum Glück war mein italienischer Pass nicht rechtzeitig fertig", freut er sich heute, nachdem "tief im Inneren immer noch dieses eine Prozent Hoffnung" bestand, "das brasilianische Trikot tragen zu können".
Mit der Selecao nahm Raphinha 2022 an der WM-Endrunde teil, kam in Katar mit dem Rekord-Weltmeister bis ins Viertelfinale. Mit dem FC Barcelona gewann er 2022/23 die Meisterschaft, auch den spanischen Pokal durfte er schon in die Höhe recken. Ein großer Titel fehlt dem Topscorer der Champions League aber noch. Um das zu ändern, muss er mit den Katalanen am Dienstagabend den italienischen Meister eliminieren - als Brasilianer, nicht als Italiener.
kicker